Adelbert von Chamisso war ein Weltbürger mit scharfem Blick auf den frühen europäischen Expansionismus und die Gefährdung der Natur. Früh verlor Chamisso seine Heimat, kam als Flüchtling in den Wirren der Französischen Revolution nach Deutschland – und blieb Zeit seines Lebens rastlos. Zu einer Zeit, in der selbst die Fahrt zur nächsten Stadt noch ein Abenteuer war, zog es ihn in die Welt. Nicht einmal sein Erfolg mit der Geschichte des heimat- und schattenlosen Peter Schlemihl, verfasst auf Deutsch und nicht in seiner Muttersprache Französisch, änderte daran etwas.
Als Naturkundler an Bord einer der letzten großen Forschungsexpeditionen segelte er um die Welt, drang im hohen Norden und in der Südsee in Regionen vor, in denen noch kaum ein Europäer gewesen war. Hier fand er bis dahin unbekannte Tier- und Pflanzenarten, ließ von Aleuten Walmodelle aus Holz anfertigen und schrieb eine hawaiische Grammatik. Seinem Schlemihl nicht unähnlich verfasste er glänzende, poetische Berichte über seine dreijährige Weltreise.
Und mehr noch: Als einer der ersten bewies Chamisso ein scharfes Auge auf die verheerenden Auswirkungen, die der Kontakt europäischer Entdecker zu indigenen Völkern nach sich zog, und er registrierte die Folgen des menschlichen Raubbaus an der Natur. Doch seine Warnungen blieben ungehört.
In seiner Biographie zeigt Matthias Glaubrecht erstmals wie bei dieser Ausnahmegestalt zugleich Literatur und naturkundliche Erkenntnis entstanden, was Chamisso selbst aus seiner Weltreise machte und was die Nachwelt aus ihm. Aus den Ergebnissen seiner Recherche in Naturkundemuseen und Archiven sowie im gerade frisch erschlossenen Nachlass Chamissos setzt Glaubrecht die die packende Lebensgeschichte eines Heimatlosen zwischen Krieg, Kunst, Wissenschaft und Weltumseglung zusammen, der mit wachem Blick schon zu seiner Zeit erkannte, worüber wir heute heftig diskutieren.
Matthias Glaubrecht, Jahrgang 1962, ist Evolutionsbiologe, Biosystematiker und Wissenschaftshistoriker und arbeitet als Professor für Biodiversität der Tiere an der Universität Hamburg. Glaubrecht schrieb mehrere Bücher, darunter eine Biographie Charles Darwins. 2012 gab er Chamissos Reise um die Welt heraus, der er erstmals alle 150 Illustrationen des Zeichners Ludwig Choris zur Seite stellte. Zuletzt erschienen von ihm der Spiegel-Bestseller Das Ende der Evolution – Der Mensch und die Vernichtung der Arten und Die Rache des Pangolin. Wild gewordene Pandemien und der Schutz der Artenvielfalt.
Buchvorstellung: Montag, 22. Mai 2023, 18-19.30 Uhr, Staatsbibliothek zu Berlin, Wilhelm-von-Humboldt-Saal, Unter den Linden 8, 10117 Berlin. Zur Anmeldung
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