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Donnerstag, 27. Dezember 2012

Schlemihls Silvesternacht - und ein Ausblick auf das Jahr 2013


Unter den Linden auf und ab zu wandeln, mag sonst ganz angenehm sein, nur nicht in der Silvester-Nacht bei tüchtigem Frost und Schneegestöber. Das fühlte ich Barköpfiger und Unbemäntelter doch zuletzt, als durch die Fieberglut Eisschauer fuhren. Fort ging es über die Opernbrücke, bei dem Schlosse vorbei – ich bog ein, lief über die Schleusenbrücke bei der Münze vorüber. – Ich war in der Jägerstraße dicht am Thiermannschen Laden. (…)  Unwillkürlich war ich einige Schritte weiter gekommen, ich blieb vor einem Keller stehen, aus dem ein einsames Licht herausstrahlte. »Was beliebt?« kam mir der Wirt, freundlich die Mütze rückend, entgegen. Ich forderte eine Flasche guten englischen Biers nebst einer tüchtigen Pfeife guten Tabaks (…) Da pochte es ans Fenster und eine Stimme rief herab: »Macht auf, macht auf, ich bin da!« Der Wirt lief hinaus und trat bald wieder herein, zwei brennende Lichter hoch in den Händen tragend, ihm folgte ein sehr langer, schlanker Mann. 
Die Erstausgabe von Peter Schlemihls
 wundersamer Geschichte.
E. T. A. Hoffmanns Beschreibung
stimmt mit der bildlichen Darstellung
der Titelfigur genau überein.
In der niedrigen Tür vergaß er sich zu bücken und stieß sich den Kopf recht derb; eine barettartige schwarze Mütze, die er trug, verhinderte jedoch Beschädigung. (…) Er forderte verdrießlich Bier und Pfeife und erregte mit wenigen Zügen einen solchen Dampf, daß wir bald in einer Wolke schwammen. Übrigens hatte sein Gesicht so etwas Charakteristisches und Anziehendes, daß ich ihn trotz seines finstern Wesens sogleich liebgewann. Die schwarzen reichen Haare trug er gescheitelt und von beiden Seiten in vielen kleinen Locken herabhängend, sodaß er den Bildern von Rubens glich. Als er den großen Mantelkragen abgeworfen, sah ich, daß er in eine schwarze Kurtka mit vielen Schnüren gekleidet war, sehr fiel es mir aber auf, daß er über die Stiefeln zierliche Pantoffeln gezogen hatte. Ich wurde das gewahr, als er die Pfeife ausklopfte, die er in fünf Minuten ausgeraucht. Unser Gespräch wollte nicht recht von statten gehen, der Fremde schien sehr mit allerlei seltenen Pflanzen beschäftigt, die er aus einer Kapsel genommen hatte und wohlgefällig betrachtete. Ich bezeigte ihm meine Verwunderung über die schönen Gewächse und fragte, da sie ganz frisch gepflückt zu sein schienen, ob er vielleicht im botanischen Garten oder bei Boucher gewesen. Er lächelte ziemlich seltsam und antwortete: »Botanik scheint nicht eben Ihr Fach zu sein, sonst hätten Sie nicht so« – Er stockte, ich lispelte kleinlaut: »albern« – »gefragt«, setzte er treuherzig hinzu. »Sie würden«, fuhr er fort, »auf den ersten Blick Alpenpflanzen erkannt haben, und zwar, wie sie auf dem Tschimborasso wachsen.« Die letzten Worte sagte der Fremde leise vor sich hin, und du kannst denken, daß mir dabei gar wunderlich zumute wurde. Jede Frage erstarb mir auf den Lippen; aber immer mehr regte sich eine Ahnung in meinem Innern, und es war mir, als habe ich den Fremden nicht sowohl oft gesehen als oft gedacht. - So schildert E. T. A. eine fiktive Begegnung mit Peter Schlemihl in seiner Erzählung "Die Abenteuer der Silvesternacht". 2013 ist es 200 Jahre her, seit Chamisso seine berühmteste Erzählung von Peter Schlemihl erfand, 1814 erschien das Buch, in das sich der Freund E. T. A. Hoffmann sofort verliebte. Die Chamisso-Freunde feiern das Schlemihl-Jubiläum mit vielen Veranstaltungen, über die wir im Forum auf dem laufenden halten werden; es ist auch dazu da, Projekte ideell zu unterstützen und die Akteure besser zu vernetzen. Für 2013 fest eingeplant sind schon eine internationale Chamisso-Konferenz in Berlin, Stadtführungen zu Chamisso, eine Schlemihl-Ausstellung samt Rahmenprogramm im Kleist-Museum Frankfurt/Oder, sowie mehrere Publikationen. Projekte bitte beim Webmaster melden oder einen Kommentar zu diesem Eintrag schreiben (dazu unten auf das Wort Kommentare klicken)!

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