Lebe wohl
Wer sollte fragen: wie's geschah?
Es geht auch Andern eben so.
Ich freute mich, als ich dich sah,
Du warst, als du mich sah'st, auch froh.
Der erste Gruß, den ich dir bot,
Macht' uns auf einmal beide reich;
Du wurdest, als ich kam, so roth,
Du wurdest, als ich ging, so bleich.
Nun kam ich auch Tag aus, Tag ein,
Es ging uns beiden durch den Sinn;
Bei Regen und bei Sonnenschein
Schwand bald der Sommer uns dahin.
Wir haben uns die Hand gedrückt,
Um nichts gelacht, um nichts geweint,
Gequält einander und beglückt,
Und haben's redlich auch gemeint.
Dann kam der Herbst, der Winter gar,
Die Schwalbe zog, nach altem Brauch,
Und: lieben? - lieben immerdar? -
Es wurde kalt, es fror uns auch.
Ich werde geh'n in's fremde Land,
Du sagst mir höflich: Lebe wohl!
Ich küsse höflich dir die Hand,
Und nun ist alles, wie es soll.
Es geht auch Andern eben so.
Ich freute mich, als ich dich sah,
Du warst, als du mich sah'st, auch froh.
Der erste Gruß, den ich dir bot,
Macht' uns auf einmal beide reich;
Du wurdest, als ich kam, so roth,
Du wurdest, als ich ging, so bleich.
Nun kam ich auch Tag aus, Tag ein,
Es ging uns beiden durch den Sinn;
Bei Regen und bei Sonnenschein
Schwand bald der Sommer uns dahin.
Wir haben uns die Hand gedrückt,
Um nichts gelacht, um nichts geweint,
Gequält einander und beglückt,
Und haben's redlich auch gemeint.
Dann kam der Herbst, der Winter gar,
Die Schwalbe zog, nach altem Brauch,
Und: lieben? - lieben immerdar? -
Es wurde kalt, es fror uns auch.
Ich werde geh'n in's fremde Land,
Du sagst mir höflich: Lebe wohl!
Ich küsse höflich dir die Hand,
Und nun ist alles, wie es soll.
Die Partikel auch ist ein Aschenputtel im deutschen Wortschatz. "Auch das noch!" schimpft man, wenn einem alles zu viel wird. "Schönen Dank auch", sagt man lässig, wenn man das Danken fast vergessen hätte. Selten nur kommt das Wörtlein groß heraus. "So legt euch denn, ihr Brüder, / In Gottes Namen nieder; / Kalt ist der Abendhauch. / Verschon uns, Gott! mit Strafen, / Und lass uns ruhig schlafen! / Und unsern kranken Nachbar auch!" Hier ist das Wort emporgehoben zum Schlussstein eines wunderbaren Gewölbes.
Schauen wir uns um in der Familie dieser verkannten, unentbehrlichen Partikel. Auch ist verwandt mit dem Verb wach-sen, lateinisch aug-ēre. Wer den geistigen Vorrat mehrt, ist ein auc-tor (wovon Autor herkommt), und wer dem Recht Geltung verschafft und überdies die Kornspeicher füllt, der erwirbt sich auc-toritas (Autorität). Wenn einer die Namen Caius Octavius Iulius Caesar führt und Chef des Imperium Romanum ist, dann legt er sich noch den Beinamen Augustus zu. Diesen pflegt man als "der Erhabene" zu verdeutschen, aber vom Etymon her ist der aug-ustus, nicht anders als der auc-tor, ein "Mehrer"; daher führten nach römischem Vorbild die Herrscher des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation den Titel Mehrer des Reiches. Und damit sehr viel mehr Leute an solchem Glanz teilhaben konnten, wurde Augustus zum Vornamen. Ihn trägt auch der Mehrer der Heiterkeit, der dumme August.
Ja, unser Aschenputtel hat vielfältige Sippschaft zwischen Kaisersaal und Zirkusrund.
Es gibt Liebesleute, denen hängt der Himmel voller Geigen. Sie sind nun mal für einander bestimmt. Ihre Ehen werden im Himmel geschlossen und halten ewig. Andere krebsen hienieden herum mit wechselnden Beziehungskisten. Den Bedürfnissen der Enttäuschten antwortet eine Untergattung der Liebeslyrik: das skeptische Liebeslied. Seine Meister sind Heinrich Heine, Wilhelm Busch und Erich Kästner. Adelbert von Chamisso hingegen ist berüchtigt als der hohe Sänger von "Frauen-Liebe und Leben", einem Preisgesang auf die drinnen waltende züchtige Hausfrau, den man selbst in den Vertonungen von Loewe und Schumann nur mit Überwindung hören kann. Doch Chamisso schlug auch andere, recht moderne Töne an, und er wurde von Heine deshalb gelobt. Von Heine inspiriert ist "Lebe wohl", ein Gedicht, das seine besondere Farbe nicht zuletzt der fünfmaligen Verwendung des Wortes auch verdankt.
Melancholisches Bilanzieren einer gescheiterten Liebe. "Es geht auch andern eben so". Gemeint ist das Sichverlieben (er war freudig, sie war "auch froh"), aber es passt genauso gut auf das Sichentlieben. Anfang wie Ende, Aufgesang wie Abgesang der Liebe, beides erschüttert die Herzen der Beteiligten, aber es ist nichts Besonderes, es trifft die Leute reihum. Nach der Anbandelung macht er ihr den Hof, sie nimmt ihn als Bewerber an, die Gesellschaft darf ein neues Paar beäugen. Nach bewährten Spielregeln folgt nun eins aus dem andern, mit geringfügiger Steigerung; ein flaches auch ("Nun kam ich auch Tag aus, Tag ein") ist dafür gerade recht. So erleben die zwei nun ihren Liebessommer oder ihre Sommerliebe, mit viel Tändelei, vermutlich auch Tandaradei, und nicht ohne herzliche Zuneigung: "Und haben's redlich auch gemeint." In diesem auch steckt die Problematik der Beziehung: Ernst und Spiel.
Es war da mehr Ernst im Spiel, als die Zweifler glauben mochten. Aber vielleicht doch mehr Spiel als Ernst? Auch redlich ist weniger als redlich. Dann fallen die Temperaturen. "Es wurde kalt, es fror uns auch." Eigentlich könnte man ja der winterlichen Kälte trotzen, zweisam in gemeinsamer Wohnung, in der warmen Stube, im vorgewärmten Bett. Aber was hülfe das? Der Ofen ist aus, da hilft keine Heizung. Es war eine Sommerliebe.
Bernd Ballmann, London, Herbst 2011
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