1936 erschien im niederländischen Exil-Verlag Allert de Lange "Der Schlemihl", ein biografischer Roman des deutsch-tschechischen Publizisten und Schriftstellers Hans Natonek (1892-1963) über Adelbert von Chamisso, den Heimatlosen in aller Welt gewidmet. Der Verfasser, aus einer jüdischen Prager Familie stammend, war zu dieser Zeit schon auf der Flucht vor den Nazis.
Die Flucht über Prag, Paris, Lissabon, New York endete 1944 in Tucson, einer kleinen Stadt im US-Bundesstaat Arizona. Seine Gedichte, Erzählungen, Romane schrieb er nun auf englisch; sie wurden nicht gedruckt. Auch im Nachkriegsdeutschland kannte den Namen Natonek bald keiner mehr; der Prager "Schlemihl" war verschwunden irgendwo in der Wüste von Arizona. Und so ist auch nie bekannt geworden, dass schon Natoneks Romantrilogie von 1929-1932, angefangen mit "Der Mann, der nie genug hat", mit dem ihm, dem erfolgreichen Journalisten der "Leipziger Zeitung", der Einstieg in eine literarische Laufbahn bravorös gelungen war, eine bis in die feinsten Äste der Motivstruktur adaptierte Schlemihl-Geschichte ist. Der Held trägt den sprechenden Namen Adalbert Weichhardt und erleidet die sozialen und politischen Konflikte der Weimarer Republik am eigenen Leib. Seltsam ist noch: wie Chamisso hat Natonek darin sein eigenes Schicksal als Gestrandeter im voraus beschrieben. Man möchte diese Bücher gern wieder lesen - auch als ein wichtiges, bis heute unterschlagenes Kapitel der Chamisso-Wirkungsgeschichte; als Erstausgaben im Zsolnay Verlag sind sie aber leider schwer aufzutreiben. Ein Desideratum für Germanisten und Verleger!
Mehr dazu im Literaturhaus Berlin am 11. Mai, siehe Terminspalte links: "Chamisso in der Literatur"
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