Wie soll die Kunst die Menschen bewegen, wenn sie selbst nicht von den Schicksalen der Menschen bewegt wird?“ sagte Brecht. Das Kunstwerk der Bildhauerin Ev Pommer bewegt uns Menschen, weil es an unserem Schicksal teilnimmt, gerade hier und heute, in unserem kleinen Örtchen Kunersdorf, in dem Adelbert von Chamisso „Peter Schlemihls wundersame Geschichte“ schrieb.
Sehr geehrte Damen und Herren,
nach erfolgreichem Abschluss der 2. Chamisso-Konferenz an der
Berliner Humboldt-Universität widmen wir uns heute den optischen
Sinnlichkeiten, genauer gesagt der bildenden und angewandten Kunst und
enthüllen anlässlich des 200-jährigen Schlemihl-Jubiläums das Chamisso-Relief
der Bildhauerin Ev Pommer.
Mit der Einweihung dieses Reliefs geht für uns Mitglieder der
Chamisso-Gesellschaft ein besonderer Wunsch in Erfüllung. Ein bewegter
Endstehungsprozess von der Idee,
über den Entwurf bis zur Ausführung der bildhauerischen Arbeit liegt nun hinter
der Künstlerin und all jenen, die die Realisierung ermöglichten.
Sehr geehrte Gäste,
im Werk der 1968 in Wriezen geborenen Künstlerin Ev Pommer
verbindet sich die Ursprünglichkeit der klassischen plastischen Kunst mit den
Gestaltungsmöglichkeiten der zeitgenössischen Kunst.
Möglicherweise wurde der Grundstein ihres Wirkens schon während
der Aufenthalte und Praktikas z.
B. an der Komischen Oper und in der Bronzegießerei der Kunsthochschule in
Berlin Weißensee gelegt. Das Studium an der Kunsthochschule Berlin Weißensee
von 1989–1994 lehrte sie, die Erfahrungen der Professoren Schönfelder und Szymanski in ihr künstlerisches
Schaffen aufzunehmen. Es prägte nachhaltig ihren Gestaltungs- und Formwillen.
Seit dem Abschluss ihres Studiums mit dem Diplom im Jahr 1996 lebt
und arbeitet Ev Pommer als freiberufliche Bildhauerin in Berlin. Sie ist
Mitglied des Verbandes Bildender Berliner Künstler.
Stipendien führten sie inzwischen nach New York und nach Mailand.
Heute ist sie Dozentin für Bildhauerei und bildet Schüler und
Studenten im Fach plastisches Gestalten des Grundlagenstudiums an der
Kunsthochschule in Berlin aus.
Für das Abgeordnetenhaus in Berlin schuf sie die Büste des
ehemaligen Parlamentspräsidenten Peter Rebsch. Der Botaniker Paul Andersonn,
eine Bronze für den Botanischen Verein, trägt ihre Handschrift sowie zahlreiche
Plastiken zeugen in unterschiedlichen Bereichen von ihrem Gestaltungswillen.
Liebe Chamisso-Freunde,
Oscar Wilde sagte:
„Die Form ist alles, sie ist das Geheimnis des Lebens.
Gib der Trauer Ausdruck, so ist sie dir teuer.
Gib der Freude Ausdruck, so ist sie dir verdoppelt.
Beginne mit der Verehrung der Form,
und kein Geheimnis der Kunst wird dir unentschleiert bleiben.“
Von der Idee des Erstellens des Tonuntergrundes, des Modellierens
des Porträts, des Abformens und Weiterverarbeitens und des Ausgießens der Form
mit Kunststein sind es viele
Arbeitsprozesse bis zur endgültigen Form.
Grundlage der Arbeit sind ein Holzstich Adolf Neumanns aus dem
Jahr 1881 und eine Zeichnung Ludwig Friedrich Heines von 1831.
Von der Wirklichkeit ausgehend modelliert Ev Pommer mit unbändigem
Gestaltungswillen und Ideenreichtum ein Porträt im Halbprofil mit menschlichen
Antlitz Chamissos. So vermittelt das Medaillon eine klare, verständliche,
realistische ästhetische Formsprache. Zugleich vermittelt es durch seine
einfache, beinah zurückhaltende Ausführung eine bleibende Eindringlichkeit.
Sie sieht sich in der Pflicht, den Gefühlen, Hoffnungen und
Wünschen, die sie selbst, aber auch die Menschen um sie herum erleben und
erfahren, in dieser Arbeit Ausdruck zu verleihen. Klar und deutlich
veranschaulicht die Künstlerin den Gesichtsausdruck Chamissos. Jedes Detail ist
von eindrucksvoller Genauigkeit gekennzeichnet. Dabei verzichtet sie bewusst
auf die Ausformung der Kleidung des Porträtierten. So liegt die ganze
Konzentration des Betrachters auf Chamissos Gestus. Nichts lenkt ab. So zeigt
das Relief auf wahrhaft meisterliche Art und Weise vielfältige Stimmungen im
scheinbar gewohnten Gesichtsausdruck. Sie verleiht ihm dadurch eine zeitlose
Gültigkeit, ohne zu idealisieren. Die Haltung, die Pose, der Blick lassen das
Spiegeln eigener Befindlichkeiten und Gefühle zu. Sie ermöglichen uns Fragen
und lassen Antworten offen. Mit dieser Gestaltungsart nimmt sie uns mit,
rüttelt uns auf, lässt uns nachdenken.
Wenn wir in wenigen Minuten das Relief enthüllen, denken Sie,
liebe Gäste, beim Betrachten an Chamissos literarisches und
naturwissenschaftliches Lebenswerk und Sie werden spüren, wie sich Inhalt und
Form verbinden.
Denn Ev Pommers bildnishaftes Festhalten als Ausdruck von
Zeitlosigkeit und ihre bekenntnishafte Hinwendung sind mehr als ein
künstlerisches Credo. Indem sie Grunderfahrungen des Daseins beschwört, nutzt
sie die dreidimensionale Gestaltung zur Sichtbarmachung des menschlichen
Ausdrucks an sich. Unter Aussparung vieler Details konzentriert sie sich auf
das Wesentliche, in dem das fragmentarische zum Träger menschlicher Emotionen
verdichtet wird.
Die modellierte Oberfläche des Steingusses belebt das eher
statische Profil. Dabei erwächst die Ausstrahlung der plastischen Arbeit ganz
aus der eigenen Versunkenheit, die der Körpersprache eine psychologische
Dimension verleiht.
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Chamisso-Freunde,
wir sind heute am Geburtsort des Schlemihls zusammengekommen, um
in würdiger Form das Kunstwerk, das Ev Pommer schuf, einzuweihen. Wir danken
der Bildhauerin für diese gelungene Arbeit. Sie schuf ein Kunstwerk, das sich
in Kunersdorfs Kunsttradition einreiht. Ein Kunstwerk, das von seinem
künstlerischen Wert anknüpft an hier ausgestellte klassische und
zeitgenössische Bildhauerkunst. Die Grabkolonnade stellt ein einzigartiges künstlerisch
wertvolles Denkmalensemble des Klassizismus dar, die die Bildhauer Schadow, Rauch, Tiek, Keller und Hagen
schufen, aber auch die zeitgenössischen Bildhauer wie z. B. Stürmer-Alex und Rother,
Engelhardt, Stötzer und Thoms sich
im Garten unseres Hauses präsentieren.
Das Kunstwerk ist vollendet ...
Der hervorragenden Aktivität zweier Mitglieder der
Chamisso-Gesellschaft ist es zu verdanken, dass dieses Projekt realisiert
werden konnte. Unser besonderer Dank gilt Gesa Hoffmann und Beate Philipps,
deren unerschöpfliches Engagement die Spendenkasse füllte. Ein Dank geht an
alle Förderer und Unterstützer des Projekts.
So danken wir der Sparkassen-Stiftung Märkisch-Oderland, der
Sparkasse Wriezen, E.on edis in Bad Freienwalde, der Oderbruch-Stiftung, dem
Amt Barnim-Oderbruch, der Bürgermeisterin Frau Andresen, den Gewerbetrieben
Schwefel, Fröhbrodt, Dünsch, Müller, der Adler-, Wriezen-, Marien-,
Schlosspark-, Brunnen- und der Alten Apotheke, Frau Neuberg, Frau Kunze,
Familie Hoffmann,
Frau Dr. Schmook sowie der Musikschullehrerin Frau Maria Trömel.
Auch den Aktivitäten der Kunersdorfer Frauen, der OB Frau Staerke
ist es zu verdanken, dass wir heute auch in genüsslicher Art und Weise das
Jubiläum gemeinsam mit der Gemeinde begehen können. Es ist eine Prämiere, indem
das Dörfchen Kunersdorf mit dem Chamisso-Literaturhaus gemeinsam das
200-jährige Schlemihl-Jubiläum begeht. Dafür einen ganz besonderen Dank.
Nun vollziehen wir den symbolischen Akt und ich bitte Frau Dr.
Weber mit mir das Geheimnis zu lüften.
Wir enthüllen das Relief Adelbert von Chamissos der Bildhauerin Ev
Pommer ...
A. v. Chamisso – Willkommen in unserem Haus ...
So gehört die Geschichte des grauen Männleins, der dem Teufel
seinen Schatten verkaufte zu Kunersdorf, wie Schlemihl zu Chamisso.
Margot Prust
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