Ein Antiquitätensammler, der anonym bleiben möchte, erwarb vor etwa 35 Jahren in Berlin ein Ölgemälde, das mit dem (schwer entzifferbaren) Namen Vicomte de Chamissot de Boncourt gezeichnet ist. Auf der Rückseite findet sich das Kürzel des Malers und ein aufgeklebter Zettel mit dem Vermerk: Urgroßonkel der Herzogin von Mecklenburg. Es ist das einzige mir bekannte Bildnis aus der französischen Familiengeschichte der Chamissots. Das Porträt stammt demnach aus dem Besitz der Urenkelin des Dichters Adelbert von Chamisso, Carola von Alers (1882-1974) und zeigt höchst wahrscheinlich dessen ältesten Bruder Louis Charles Hippolyte de Chamissot (1769-1841), der selbst ein begabter Miniaturist war. Durch den Brief in seiner Hand (au roi) und die stilisierten St- Georgs- und St. Louis-Orden auf seinem Ritterhemd gibt er sich stolz als katholischer Royalist zu erkennen.
Carola war die Tochter von Adelaide von Chamisso,
Tochter von Adolph, geb. 1830 oder Hermann von Chamisso (geb. 1832). Während
der Dichter von seiner aristokratischen
Herkunft nach seiner Emigration wenig Gebrauch machte, verkehrten seine Ur-Enkelin und deren Mutter gern in den Häusern des deutschen Adels. 1905 sind Mutter und Tochter zu
Gast auf Schloss Neubeuern in Oberbayern,
wo Carola den Multimillionär und
Deutschrussen Wladimir Schmitz kennenlernt und bald darauf heiratet, der ihr
ein luxuriöses Leben bieten konnte. Gemeinsam leben sie auf einem
mecklenburgischen Gut. Carola besaß eine Yacht an der Cote d‘Azur, schnelle
Autos und Rennpferde. 1919 wurde sie als beste deutsche Gespannfahrerin
berühmt, trennte sich kurz darauf von Schmitz und heiratete 1921 Heinrich
Borwin von Mecklenburg-Strelitz (1885-1942).
Wohin andere Teile des Nachlasses der Carola von Mecklenburg-Strelitz gelangt sind,
die 1974 hochbetagt erst starb, ist unbekannt. Der
Porträtist ist vermutlich der seinerzeit recht berühmte Dresdener Zeichner und
Kupferstecher Johann Gottlieb Abraham Frenzel, den die Brüder des Dichters auf
ihrer Reise nach Russland 1797 oder spätestens 1801 auf der Rückreise aus St. Petersburg
kennengelernt haben könnten (sh. Adelbert von Chamisso, Der wilde Europäer, Biografie, Matthes&Seitz Verlag Berlin 2008). Frenzel war damals noch
Student an der berühmten Dresdener Zeichenakademie und Anfang zwanzig, was die etwas ungeübte, flächige Malweise erklären
würde.
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