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Montag, 29. April 2013

Aus Chamissos Familiengeschichte


Ein Antiquitätensammler, der anonym bleiben möchte,  erwarb vor etwa 35 Jahren  in Berlin ein Ölgemälde, das mit dem (schwer entzifferbaren) Namen Vicomte de Chamissot de Boncourt gezeichnet ist. Auf der Rückseite findet sich das Kürzel des Malers und ein aufgeklebter Zettel mit dem Vermerk: Urgroßonkel der  Herzogin von Mecklenburg. Es ist das einzige mir bekannte Bildnis aus der französischen Familiengeschichte der Chamissots. Das Porträt stammt demnach aus dem Besitz der Urenkelin  des Dichters Adelbert von Chamisso, Carola von Alers (1882-1974) und zeigt höchst wahrscheinlich dessen ältesten Bruder Louis Charles Hippolyte de Chamissot (1769-1841), der selbst ein begabter Miniaturist war. Durch den Brief in seiner Hand (au roi) und die stilisierten St- Georgs- und St. Louis-Orden auf seinem Ritterhemd gibt er sich stolz als katholischer Royalist zu erkennen.
Carola war die Tochter von Adelaide von Chamisso, Tochter von  Adolph, geb. 1830 oder Hermann von Chamisso (geb. 1832). Während der Dichter von  seiner aristokratischen Herkunft nach seiner Emigration wenig Gebrauch machte, verkehrten seine Ur-Enkelin  und deren Mutter gern in den Häusern des deutschen Adels. 1905 sind Mutter und Tochter zu Gast auf Schloss Neubeuern in Oberbayern, wo Carola  den Multimillionär und Deutschrussen Wladimir Schmitz kennenlernt und bald darauf heiratet, der ihr ein luxuriöses Leben bieten konnte. Gemeinsam leben sie auf einem mecklenburgischen Gut. Carola besaß eine Yacht an der Cote d‘Azur, schnelle Autos und Rennpferde. 1919 wurde sie als beste deutsche Gespannfahrerin berühmt, trennte sich kurz darauf von Schmitz und heiratete 1921 Heinrich Borwin von Mecklenburg-Strelitz (1885-1942).

Wohin andere Teile des Nachlasses der  Carola von Mecklenburg-Strelitz gelangt sind, die 1974 hochbetagt erst starb, ist unbekannt. Der Porträtist ist vermutlich der seinerzeit recht berühmte Dresdener Zeichner und Kupferstecher Johann Gottlieb Abraham Frenzel, den die Brüder des Dichters auf ihrer Reise nach Russland 1797 oder spätestens 1801 auf der Rückreise aus St. Petersburg kennengelernt haben könnten (sh. Adelbert von Chamisso, Der wilde Europäer, Biografie, Matthes&Seitz Verlag Berlin 2008). Frenzel war damals noch Student an der berühmten Dresdener Zeichenakademie und Anfang zwanzig, was  die etwas ungeübte, flächige Malweise erklären würde.

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